DE: Gericht verhängt fast Höchststrafe für Tierquälerei - Österreichs Justiz stellt Verfahren oft ein oder spricht Täter frei!

Zwei Jahre und 10 Monate als richtungsweisendes Urteil für heimische Justiz / Forderung an Justizministerin: Fünf Jahre Strafrahmen

Marschik Gerhard
Schweindi © PFOTENHILFE Lochen

Lochen/Wien/Memmingen, 30.10.2023 - Zwei Jahre und zehn Monate unbedingte Haft für Tierquälerei an landwirtschaftlich genutzten Tieren. Dieses richtungsweisende Urteil wurde kürzlich vom Höchstgericht bestätigt (siehe https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/2023135.html?nn=10690868). Was in Deutschland geht, davon können Österreichs Tierschützer nur träumen. Ein paar Beispiele der letzten Zeit: In Wien darf man ungestraft Hunde ermorden, in dem man sie vom Balkon wirft, in Tirol Kühe treten und schlagen, in Kärnten seine Kühe anschießen - alles Freisprüche.

PFOTENHILFE-Sprecher Jürgen Stadler: "Als Belohnung für Geständnisse bekommt man Verfahrenseinstellungen gegen Geldbußen. Was kommt als nächstes? Prämien dafür, dass man verspricht, nicht rückfällig zu werden? Wo leben wir eigentlich? Ist das alles nur ein Albtraum? Wann wacht die Justiz endlich auf? Bei Urteilen geht es ja auch um Generalprävention, also die abschreckende Wirkung auf mögliche weitere Täter. Die existiert hierzulande einfach nicht!"

Das Landesgericht Ried im Innkreis stellte in den letzten Monaten schon zwei Verfahren diversionell ein, wo Reiher aus dem Auto erschossen wurden oder mit illegalen Fallen langsam und qualvoll getötet wurden sowie eines, wo ein Hund im Wald ausgesetzt wurde und eines, wo ein Hund so lange an der Kette im Freien hängen musste, bis er sterbenskrank nur noch sofort erlöst werden konnte.  "Man denkt sich, dass wenigstens Tierquälerei an Haustieren wie Hunden oder Katzen strenger bestraft wird, weil auch Richter und Staatsanwälte Familien und Haustiere haben. Aber nein, auch dort hagelt es massenweise Diversionen, Freisprüche oder Bagatellstrafen. Wundert sich da wirklich noch jemand, dass es nicht weniger sondern immer mehr Tierquälereifälle gibt?", zeigt sich Stadler empört. "Tatsächliche Haftstrafen gab es nur für Tierquälerei in Österreich unfassbarerweise überhaupt noch nie - trotz zwei Jahren Strafrahmen!"

Wer einen Malteser in Wien zu Tode tritt, bekommt 9 Monate, wer einen Hund geknebelt und gefesselt in Altlengbach in den Brunnen wirft und ertrinken lässt, 8 Monate. Wer 500 Schafe in NÖ ohne Betäubung hinrichtet, 3 bis 10 Monate. "Nein, kein Gefängnis, nur bedingt, und nach drei Jahren ist in der Regel alles wieder getilgt. Und das sind nur die abscheulichsten Fälle von Tierquälerei, die Spitze des Eisbergs", ärgert sich Stadler. "Für die Vernachlässigung von Tieren oder routinemäßige Tierquälerei gibt es meist überhaupt nur lächerliche Geldstrafen, oft sogar nur Verwaltungsstrafen, insbesondere wenn es sich um landwirtschaftlich genutzte Tiere handelt. Telefonieren am Steuer, Schnellfahren, Falschparken, Tiere vernachlässigen und quälen - alles das Gleiche? In was für einem rückständigen Land leben wir eigentlich? Tierschutz ist seit 10 Jahren als Staatsziel in der Verfassung. Aber wer weiß das schon? Und wie wirkt sich das in der Praxis aus? Es wird einfach ignoriert!"

Mahatma Gandhi hat einmal scharfsinnig bemerkt, dass "die Größe einer Nation und ihr moralischer Fortschritt danach beurteilt werden können, wie sie ihre Tiere behandelt"

Am Papier klingt das Bundestierschutzgesetz ja noch ganz gut, aber auch nur auf den ersten Blick. Weiter hinten und besonders in den Verordnungen wird vieles durch Ausnahmen wieder aufgeweicht oder gar revidiert. Laut PFOTENHILFE ein Zugeständnis an diverse Tiernutzungs-Lobbies. Und spätestens am Vollzug scheitert der Tierschutz dann oft vollkommen. Kontrollen sind aus Kostengründen selten oder gar nicht vorgesehen. Bei Anzeigen aus dem Umfeld der Täter dauert es oft Wochen bis Monate, bis die Behörde tätig wird. Und konsequent eingeschritten wird oft erst, wenn es für die Tiere (fast) zu spät ist.

Tierquäler üben nur ...

"Wir fordern von Justizministerin Alma Zadic eine Erhöhung des Strafrahmens für Tierquälerei auf fünf Jahre, denn die derzeitige Rechtslage ist eine Verhöhnung der Opfer!", sagt Stadler. "Und verpflichtende Schulungen für Justizbehörden, dass Tierquälerei kein Kavaliersdelikt ist und Tierquäler nur üben. Kriminalpsychologen warnen schon lange, dass die nächsten Opfer oft Menschen sind. Wären also viele Gewalttaten verhinderbar, wenn Tierquälerei endlich ernstgenommen würde? Auf die meisten Betrugsfälle stehen 3 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe. Ist uns ein fühlendes, leidensfähiges Lebewesen wirklich so viel weniger Wert, Frau Justizministerin?"

Erst kürzlich hielt Univ.-Prof. Dr. Birgit U. Stetina von der Psychologischen Fakultät der Sigmund-Freud-Universität Wien einen Vortrag zum Thema (siehe https://www.tierschutzombudsstelle.steiermark.at/cms/beitrag/12910204/138741427/) und sagte: "Es werden signifikante Zusammenhänge zwischen Tierquälerei, Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung, häuslicher Gewalt, Misshandlung älterer Menschen und anderen Formen von Gewalt festgestellt. Forscher bestätigen, dass die Misshandlung von Tieren nicht mehr als isolierter Vorfall angesehen werden kann, der ignoriert werden darf: Gewalt gegen Tiere ist oft ein Indikator oder ein Prädiktor für Kriminalität und ein Warnzeichen dafür, dass andere Familienmitglieder im Haushalt möglicherweise nicht sicher sind." 

Veröffentlicht am 30. Oktober 2023